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Diabetin – Wunder über Wunder

Was hinter der „Anti-Diabetes-Kapsel“ steckt

BestProvita Diabetin-Kapseln: Die Reklame für dieses Nahrungsergänzungsmittel trägt dick auf – und schießt auf der offenen Quacksalberei-Skala weit nach oben. Wir haben uns die Werbung näher angesehen und dabei viele altbekannte Muster entdeckt.

Diabetin: Krasse Werbung
Diabetin: Krasse Werbung

Man nehme: dramatische Schilderungen der gesundheitlichen Schäden durch Diabetes, ein vollmundiges Versprechen von hundertprozentiger Wirksamkeit eines ganz neuartigen Mittels, den Verweis auf einen Experten, Empfehlungen begeisterter Kund:innen, die Möglichkeit zur Direkt-Bestellung – fertig ist das Geschäftsmodell für ein Nahrungsergänzungsmittel.

Bekanntes Muster

Dieses Rezept hat offenbar der Anbieter von BestProvita Diabetin verinnerlicht, auf das uns ein GPSP-Leser via Twitter aufmerksam machte. Damit reiht sich das Produkt in eine lange unrühmliche Reihe ähnlicher Angebote ein, die wir immer mal wieder besprechen. Und beim näheren Blick auf die Werbung finden sich auch hier zahlreiche Indizien für Quacksalberei, mit denen sich solche Mittel verraten.

Werbung mit der Furcht

„Raubtier Diabetes“ (abgebildet ist ein scheinbar äußerst gereizter Löwe), „tickende Zeitbombe für Herz, Gehirn, Augen, Nieren und Beweglichkeit“ – und im Text ist weiter die Rede von „dramatischen Folgen“ eines Diabetes, die bis in ihre unappetitlichen Einzelheiten ausgemalt werden. Richtig ist, dass bei der Zuckerkrankheit tatsächlich schwerwiegende Komplikationen auftreten können. Was die Werbung allerdings verschweigt: Wie häufig Erkrankungen als Folge von Diabetes tatsächlich sind und wie sich das Risiko mit den verfügbaren Behandlungsmethoden deutlich senken lässt – ganz normal im Rahmen der kassenfinanzierten Gesundheitsversorgung. Der Anbieter greift hier zu einem bekannten Trick, den Marketingfachleute als „fear mongering“ bezeichnen: Eine Krankheit so zu dramatisieren, dass die Leser:innen in Angst und Schrecken versetzt werden.

© Thomas Kunz

Mehr Ungereimtheiten

Das bereitet den Boden für den folgenden dramaturgischen Bogen: Sie müssen Angst haben, aber (nur) wir können Ihnen helfen: „All das können Sie jetzt definitiv verhindern!“ – also ein Versprechen von 100-prozentiger Wirksamkeit. Allein das lässt schon alle Alarmglocken läuten, denn das gibt es so gut wie nie.

Um aber genau solche Zweifel zu zerstreuen, führt der Anbieter einen wichtigen Kronzeugen für den Nutzen des Mittels an: Einen vermeintlichen Experten mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Diabetesforschung – ein wahrer Held. Er lässt sich auch von Mühen, Kosten und Rückschlägen nicht abschrecken, um an sein Ziel zu gelangen. Offenbar ein verkanntes Genie, denn weder in Datenbanken für medizinisch-wissenschaftliche Veröffentlichungen noch bei einer Internet-Recherche lässt sich eine Spur von ihm finden.

Lebhafte Fantasie

Zumindest ist der Held doch auf der Website abgebildet. Und die Bildunterschrift erklärt, dass es sich bei dem sympathischen älteren Herrn um besagten Experten handelt… Warum auch immer der sich in Freizeitkleidung auf einem Gymnastikball knipsen lässt… Dumm nur, dass eine Suche im Internet schnell zeigt, dass das Foto bei einer kommerziellen Bilddatenbank gekauft wurde. – Genauso übrigens wie die Bilder angeblicher Kund:innen, die das Produkt über den grünen Klee loben. Das spricht alles dafür, dass der Experte und die begeisterten Rückmeldungen frei erfunden sind.

Leere Versprechungen

Aber dann gibt es doch bestimmt andere Belege für Wirksamkeit und den Nutzen des Produkts – die in den Augen des Anbieters sicherlich den einen oder anderen Innovationspreis verdienten, denn schließlich handle es sich um eine „wissenschaftlich erprobte neue Naturstoff-Kombination aus starken Antioxidantien, Nerven- und Zellschutz-Vitalstoffen und Spezialvitaminen, wie es sie in dieser Form bislang noch nie gegeben hat“.

Schon die Aneinanderreihung von Modewörtern („Naturstoff“, „Vitalstoff“, „Zellschutz“, „Spezial-“) weist darauf hin, dass vermutlich nicht allzu viel dahinter steckt. Deshalb hat es uns nicht so richtig überrascht, dass wir zu diesem Produkt in den einschlägigen Datenbanken keine Studien finden konnten. Von „wissenschaftlich erprobt“ kann also keine Rede sein.

Bunter Mix

Aber die einzelnen Inhaltsstoffe – ist denn für diese wenigstens ein Nutzen bei Diabetes belegt? Auch hier sieht es eher dünn aus. Neben dem tiefen Griff in die Kiste mit inhaltsleeren Worthülsen („Bio-Zink“, „Ur-Magnesium“) wird der Anbieter bei der Beschreibung der Wirksamkeit eher lyrisch als wissenschaftlich: Bei den hauptsächlich enthaltenen Vitaminen, Mineralien und Spurenelementen werden die zulässigen gesundheitsbezogenen Aussagen weit gedehnt oder im Fall von Alpha-Liponsäure sogar Verbote ignoriert. Übrigens: Nahrungsergänzungsmittel dürfen generell nicht für die Behandlung von Krankheiten beworben werden.

Pflanzen ohne Kraft

In so einem Produkt dürfen auch pflanzliche Inhaltsstoffe nicht fehlen: Dazu gehört „Zimtkassie-Kraut“, also Cassia-Zimt. Dafür zitiert der Anbieter nicht näher benannte Studien, denen zufolge der Blutzuckerspiegel durch Zimt sinken soll. Dass ein Nutzen bei Diabetes nicht belegt ist, haben wir bereits vor mehr als zehn Jahren berichtet – und dass sich seitdem nichts geändert hat, wird auch durch eine neuere Bewertung aller verfügbaren Studien bestätigt.1

Noch kurioser wird es bei dem „Anti-Diabetes-Wunder Bilbarry“ – hinter der im Englischen korrekt „Bilberry“ geschriebenen „Wunderbeere“ steckt schlicht die bekannte Heidelbeere. Für ihren vermeintlichen Nutzen werden dann doch vier wissenschaftliche Publikationen angeführt, die teils nicht die relevanten Fragen untersuchen oder nur Tests an Ratten wiedergeben, teils aber auch zu dem Schluss kommen, dass es keine hinreichenden Belege gibt, dass Heidelbeeren bei Diabetes irgendwie nützlich sein könnten. Da hofft der Anbieter wohl, dass künftige Kund:innen nicht so genau hinschauen.

Angebote über Angebote

Natürlich fehlen auch nicht die üblichen Verdächtigen, die Interessierte von der vermeintlichen Seriosität des Produkts überzeugen sollen: Etwa der Hinweis, dass das Mittelchen in Apotheken bestellt werden kann und sogar über eine Pharmazentralnummer (PZN) verfügt. Das ist allerdings kein Qualitätssiegel, sondern ein technisches Hilfsmittel für die Logistik in der Apotheke und sagt über den Nutzen rein gar nichts aus.

Und wer immer noch zögert, wird mit der Möglichkeit zur Direkt-Bestellung mit Rabatten gelockt, wenn man gleich drei Packungen auf einmal kauft – die Intensiv-Kur für drei Monate gibt es schon für schlappe 89 Euro.

Fazit

Auf der nach oben offenen Quacksalberei-Skala bekommt das Provita Diabetin ziemlich viele Punkte. Es lohnt sich, bei den vollmundigen Versprechungen genauer hinzuschauen. Wer sich um Folgeschäden eines Diabetes sorgt, sollte sich besser von Arzt oder Ärztin zu einem gesunden Lebensstil und einer guten Stoffwechseleinstellung beraten lassen. Beides lässt sich durch Nahrungsergänzungsmittel nicht ersetzen.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2021 / S.12