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© Alison Taylor Photograpy/ iStockphoto.com

Paracetamol: Alter Hut oder bewährtes Schmerzmittel?

Paracetamol in der Selbstmedikation

Für Erwachsene gibt es für die Selbstbehandlung von Schmerzen eine ganze Reihe von ­Wirkstoffen ohne Rezept. Was sollte man bei der Wahl eines Schmerzmittels zu Paracetamol wissen?

In fast jeder Hausapotheke und in vielen Handtaschen stecken rezeptfreie Schmerzmittel. Sie sind Erste Hilfe bei dröhnendem Kopf oder anderen Schmerzen, die sich sonst nicht in den Griff bekommen lassen.

Erwachsene können dann unter mehreren Wirkstoffen wählen, etwa Acetylsalicylsäure (ASS), Ibuprofen oder eben auch Paracetamol, das viele vor allem als Fiebermittel für Babys und Kleinkinder kennen.

Wie gut wirkt Paracetamol bei der Selbstbehandlung von Schmerzen im Vergleich zu anderen Schmerzmitteln? Das haben wir uns für vier häufige Anwendungsgebiete bei Erwachsenen angesehen: Spannungskopfschmerzen, Migräne, akute unspezifische Rückenschmerzen und Schmerzen bei Arthrose.

Bei Kopfschmerzen

Wenn der Kopf dröhnt, handelt es sich oft um Spannungskopfschmerzen. Sie können entstehen, wenn man sehr gestresst oder übermüdet ist.1 Paracetamol, ASS und Ibuprofen wurden bisher nur in wenigen Studien direkt miteinander verglichen – und die sind durch methodische Mängel nicht besonders aussagekräftig. Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass es bei Spannungskopfschmerzen keine wesentlichen Unterschiede in der Wirksamkeit zwischen den drei Wirkstoffen gibt.2,3,4 Allerdings wurde in den Studien Paracetamol immer in einer Dosierung von 1.000 Milligramm vergli­chen, also zwei übliche Tabletten mit jeweils 500 Milligramm. Ob der Vergleich bei einer niedrigeren Dosierung von Paracetamol genauso ausfallen würde, ist unklar.

Und bei Migräne?

Deutlich stärker als normale Kopfschmerzen sind die Beschwerden bei einer Migräne – dann pocht der Kopf meistens nur auf einer Seite. Manchmal wird den Betroffenen dabei übel, manche müssen sich übergeben. Bei Migräne gibt es unserer Recherche nach keine direkten Vergleiche zwischen ASS, Ibuprofen und Paracetamol. Im Vergleich der einzelnen Wirkstoffe mit einem Scheinmedikament fand sich aber eine etwa gleich starke Linderung der Schmerzen. Auch hier scheint es in Sachen Wirksamkeit keine größeren Unterschiede zwischen den drei Wirkstoffen zu geben.5

Bei akuten Rückenschmerzen

Als „unspezifisch“ bezeichnen Fachleute Rückenschmerzen dann, wenn sie sich nicht auf eine einzelne Ursache, etwa einen Bandscheibenvorfall, zurückführen lassen. Sind unsere Muskeln zu schwach, bewegen wir uns zu wenig, sitzen wir falsch und zu lange oder sind wir gestresst – dann beschwert sich manchmal unser Rücken. Schmerzmittel können an diesen Ursachen nichts ändern, aber zur Überbrückung helfen, sodass wir körperlich aktiv bleiben können. Ist hier Paracetamol eine gute Behandlungsoption? Die Daten aus wissenschaftlichen Studien sind nicht ganz eindeutig, sprechen aber eher dagegen: Studien, die Paracetamol mit ASS oder Ibuprofen verglichen, fanden zwar keinen Unterschied zwischen den Wirkstoffen. Im Vergleich mit einem Scheinmedikament in anderen Untersuchungen waren ASS und Ibuprofen dem Placebo jedoch deutlich überlegen. Paracetamol schnitt hier nicht besser ab als das Scheinmedikament. Allerdings ist die Datenlage insgesamt unzureichend.6

Kein Nutzen bei Arthrose

Wenig nützlich scheint Paracetamol bei Arthrose-Schmerzen zu sein: Eine große Vergleichsstudie kam zu dem Schluss, dass Paracetamol im Vergleich zu Schmerzmitteln wie Ibuprofen die Beschwerden nicht spürbar lindert.7 Das bestätigen auch Untersuchungen, bei denen Paracetamol bei Menschen mit Arthrose keine bessere schmerzlindernde Wirkung zeigte als ein Scheinmedikament.8,9

Und die Verträglichkeit?

Bei der Wahl eines Schmerzmittels ist es wichtig, die typischen Nebenwirkungen und mögliche Wechselwirkungen im Blick zu haben. Natürlich spielt es auch eine Rolle, welche Erfahrungen man zur Wirksamkeit und Verträglichkeit bereits gemacht hat. Aber: Bei Entzündungen und/oder Geschwüren im Magen oder Zwölffingerdarm sollte man auf ASS und Ibuprofen verzichten. Das gilt auch für alle, die Gerinnungshemmer einnehmen. In solchen Fällen ist Paracetamol für die Selbstbehandlung von Schmerzen die bessere Wahl.

Das Dosierungsdilemma

Für die Schmerzbehandlung in der Selbstmedikation werden bei Erwachsenen Paracetamol-Dosierungen von 500 bis 1.000 Milligramm als Einzeldosis benötigt. Je nach Art und Stärke der Schmerzen muss Paracetamol aber manchmal wiederholt eingenommen werden. Und dann gibt es möglicherweise ein Dilemma: Als oberste Tagesdosis dürfen eine Menge von 60 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht oder 4.000 Milligramm pro Tag nicht überschritten werden, weil bei höheren Dosierungen schwer zu behandelnde Leberschäden bis hin zum möglicherweise tödlichen Leberversagen drohen. Also Vorsicht! Bei Paracetamol kann der Abstand zwischen einer wirksamen und einer gefährlichen Dosis individuell äußerst schmal ein.

Unbeabsichtigte Überdosis

Aus Sicherheitsgründen sind in Deutschland deshalb seit 2009 nur noch Paracetamol-Packungen mit maximal 10 Gramm (entspricht 20 Tabletten à 500 Milligramm) ohne Rezept erhältlich. Achtung! Auch zahlreiche Kombinations-Erkältungsmittel enthalten Paracetamol. Wer das übersieht, läuft schnell Gefahr, die maximale Tagesdosis zu überschreiten. Die französische Arzneimittelbehörde hat kürzlich vorbildhaft die Arznei­mittelhersteller verpflichtet, ent­sprechende Warnhinweise gut sichtbar auf die Packungen Paracetamol-haltiger Präparate zu drucken.

Gerinnungshemmer
GPSP 3/2019, S. 4

Paracetamol Warnungen
GPSP 6/2019, S. 14

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 02/2020 / S.10