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Windpocken Wie sinnvoll ist die Impfung?

Seit 2004 wird empfohlen, Kinder gegen Windpocken (Varizellen) zu impfen. Meist verläuft die Krankheit harmlos. Dennoch kann die Impfung nützlich sein – insbesondere für bestimmte Personen.

Verursacher von Windpocken ist ein Virus (Varizella-Zoster-Virus, VZV). Die Krankheit ist geprägt von einem juckenden Hautausschlag, beginnend mit Papeln, die in Bläschen übergehen, die schließlich verschorfen. Der Ausschlag kann sich auf dem ganzen Körper ausbreiten, selbst auf der behaarten Kopfhaut und den Schleimhäuten. Er kann aber auch so unauffällig sein, dass manchmal gar nicht die Diagnose „Windpocken“ gestellt wird. Die Hautveränderungen verschwinden normalerweise, ohne Spuren zu hinterlassen. Aber wenn sich ein Kind stark kratzt und sich die Bläschen infizieren, können Narben zurückbleiben.

Die Krankheit wird gelegentlich in den ersten Tagen von Symptomen wie Fieber begleitet und verläuft bei den allermeisten Kindern harmlos. Selten treten Komplikationen wie etwa Lungenentzündung und Störungen des zentralen Nervensystems auf, sie kommen insbesondere bei immungeschwächten Kindern und Erwachsenen vor. Sehr selten können Windpocken auch zum Tod führen.1
Vor Windpocken kann man sich durch eine Impfung schützen. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt diese seit 2004 für Kleinkinder, darüber hinaus für Kinder von 9-17 Jahren, die noch keine Windpocken durchgemacht haben, sowie für eine Reihe von besonderen Situationen (beispielsweise Frauen mit Kinderwunsch ohne durchgemachte Windpocken). Seit 2009 wird zu einer zusätzlichen zweiten Impfung geraten, weil eine einmalige Impfung nicht ausreichend schützt.2

Risiko bei Schwangerschaft

Infiziert sich eine Schwangere, die noch keine Windpocken hatte oder nicht geimpft ist, im ersten oder zweiten Schwangerschaftsdrittel, kann es beim Ungeborenen zum gefürchteten „fetalen Varizellensyndrom“ kommen. Es drohen schwere Fehlbildungen. Und Neugeborene, die sich über ihre Mutter kurz vor oder nach der Geburt angesteckt haben, überleben dies häufig nicht.3

Im Alter Gürtelrose

Unter den Infektionskrankheiten sind die Windpocken etwas Besonderes. Die Viren werden nämlich im Verlauf der Krankheit nicht vollständig aus dem Körper entfernt, wie etwa bei den Masern, sondern sie können nach überstandener Infektion in Schaltstellen des Rückenmarks oder der Nerven über Jahrzehnte inaktiv verharren. Wird das Immunsystem geschwächt, etwa durch natürliche Alterungsprozesse, aber auch durch weitere Infektionen, Krebserkrankung oder eine Krebstherapie, können die Viren an ihrem Rückzugsort reaktiviert werden. Anders als bei der Windpocken-Erstinfektion kommt es nicht zu einem generellen Hautausschlag, sondern betroffen ist nur ein bandförmiger Abschnitt der Haut – daher der Name „Gürtelrose“ (Herpes zoster), in der Regel nur einseitig. Sie tritt vor allem im höheren Lebensalter auf. Durch den Befall der Nervenwurzeln können erhebliche Schmerzen auftreten, die auch andauern und die Lebensqualität deutlich beeinträchtigen können.

Gegen meist harmlose Erkrankung impfen?

Bei aller Tragik der an Windpocken verstorbenen oder dauerhaft geschädigten Kinder – man darf annehmen, dass die Impfung auch deshalb eingeführt wurde, weil an Windpocken erkrankte Kinder gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) für die Dauer ihrer Ansteckungsfähigkeit, also bis zu zwei Wochen, zu Hause bleiben müssen. Das bedeutet oft, dass berufstätige Eltern ebenfalls zu Hause bleiben müssen.

Derweil kann festgestellt werden, dass sich sowohl die Häufigkeit der Krankenhausaufnahmen wegen Varizellen von etwa 2.000 Patienten pro Jahr vor Einführung der Impfung auf unter 1.000 im Jahr 2010 halbiert hat. Auch die Häufigkeit der schweren Komplikationen ging deutlich zurück: von über 100 auf zuletzt noch rund 10 Fälle pro Jahr.4

Verschiebt die Impfung die Erkrankung nach hinten?

Bekannt ist, dass Windpocken umso schlimmer verlaufen, je später man sie bekommt. Vor Einführung der Impfung erkrankten praktisch alle Kinder bereits in der Kita oder in der Grundschule. Wenn nun ein Teil von ihnen geimpft ist, sinkt zunächst die Möglichkeit, dass ein nicht geimpftes Kind sich in seiner Altersklasse ansteckt. Mit zunehmendem Lebensalter steigt jedoch die Wahrscheinlichkeit, irgendwann auf einen anderen Menschen zu treffen, der ebenfalls ungeimpft ist, gerade Windpocken durchmacht und ansteckend ist.

Bisher ist auch noch nicht sicher, ob der Impfschutz lebenslang anhält oder nur einen begrenzten Zeitraum. Dann nämlich könnte auch ein geimpftes Kind später wieder anfällig für Windpocken werden. In diesem Fall verläuft die Krankheit allerdings schwächer als beim ungeimpften Kind. Trotzdem können diese Menschen wieder zu Überträgern werden.

Weniger Windpocken – mehr Gürtelrose?

Es gibt eine Hypothese, wonach das spezifisch gegen Varizellen gerichtete Immunsystem der Menschen, die noch Viren in sich tragen, immer wieder ertüchtigt („geboostert“) wird, wenn diese mit Menschen in Kontakt kommen, die gerade Windpocken durchmachen. Diese Boosterung verzögert wahrscheinlich die Reaktivierung der Viren in höherem Alter und verringert somit die Häufigkeit von Gürtelrose.5

Wenn nun aber diese Boosterung durch die Impfung und die dadurch bedingte Abnahme der Infektion mit Windpocken zurückgeht, könnte die Gürtelrose häufiger werden. Eine aktuelle Modellrechnung lässt bis zirka 2035 aufgrund des fehlenden Boosterungseffekts zunächst einen Anstieg von Gürtelrosen erwarten, danach soll aufgrund der flächendeckenden Wirksamkeit der Impfung deren Zahl wieder sinken.6

Modellrechnungen sollen helfen, gewissermaßen die Zukunft vorauszuberechnen. Bei der „mathematischen Modellierung“ werden zu bestimmten Krankheitsbildern aus der Vergangenheit bekannte Daten in ein Modell eingebaut. Unter verschiedenen Szenarien sucht man dann die wahrscheinlichste Entwicklung in der Zukunft vorauszuberechnen.7

Fazit

Längerfristig könnte sich die Windpockenimpfung insgesamt als günstig erweisen. Es gibt jedoch noch eine Reihe offener Fragen, die eine uneingeschränkte Impfempfehlung zum jetzigen Zeitpunkt schwierig machen.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2015 / S.22