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Medikamente gegen Alltagsprobleme?

„Medikalisierung“ meint den Versuch, unvermeidliche Belastungen im alltäglichen Leben zu Krankheiten zu erklären und dagegen Arzneimittel anzupreisen. Der Anbieter der rezeptfreien Lasea® Kapseln will mit seinem Produkt, das Lavendelöl enthält, vor „Unruhezuständen bei ängstlicher Verstimmung“ bewahren. Dazu hat er mit dem Segen der deutschen Arzneimittel-Zulassungsbehörde ein Anwendungsgebiet für sein Medikament geschaffen, das es bisher gar nicht als behandlungsbedürftige Krankheit gab.1

Werbung für Lasea® Kapseln

  • Pflanzlich = problemlos? Magen-Darm-Störungen und Übelkeit sind häufig.
  • Optimierte Reizfilter-Funktion? „Optimiert“ ist ein beliebter Begriff in der Werbesprache, weil er positiv ist, ohne dass das Was und Wie erläutert wird. Das gilt besonders für die pseudowissenschaftliche Floskel „Reizfilter-Funktion“.
  • Einzigartig? Noch mehr Pseudo-Medizin- Sprechblasen. Einzigartig erscheint uns eher die Unverfrorenheit, mit der versprochen wird, dass Lavendelöl einen Ausweg aus Problemen bietet, die auf Alltagsproblemen bei einer Krankheit oder auf Schwierigkeiten am Arbeitsplatz oder in der Familie beruhen.
  • Arzneilavendel? Im wahrsten Sinn des Wortes blumige Werbesprache. Es handelt sich um ganz normalen südeuropäischen Lavendel (Lavendula angustifolia).

Die Nutzen-Schaden-Abwägung für Lasea® fällt nicht gut aus. Der Hersteller gibt an, in zwei Studien die Wirksamkeit nachgewiesen zu haben. Wir halten diese Untersuchungen aber für methodisch unzureichend, um daraus aussagefähige Schlüsse zu ziehen.1 Die meisten in dieser Werbung beschriebenen Probleme bedürfen ohnehin keiner Behandlung mit Medikamenten. Die Lavendelölkapseln können übrigens auch unangenehme Beschwerden machen: 5 von 100 Personen leiden unter Verdauungsstörungen und 2 von 100 unter Übelkeit. Da Laborversuche zudem Hinweise auf hormonelle und genetische Wirkungen geben,1 raten wir von der Einnahme von Lasea® ab. Nichts gegen ein wohlriechendes entspannendes Bad, aber deshalb muss man Lavendelöl noch lange nicht schlucken.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2012 / S.16