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Was taugt Wissenschaft? – Aber bei mir hilft es doch

Immer wieder kommt GPSP bei der Bewertung eines Produkts zu dem Schluss, dass seine Wirksamkeit wissenschaftlich nicht nachgewiesen ist. Das steht dann manchmal im Gegensatz zu den Erfahrungen Einzelner, die über positive Erlebnisse mit diesem Produkt berichten. Wer hat nun recht, wenn es doch hilft? Liegt die Wissenschaft falsch?

Die Aussage, ob eine Behandlung wirksam ist oder nicht, machen wir auf der Grundlage von Erfahrungen. Ein Beispiel: Ich habe Kopfschmerzen und nehme eine Tablette. Etwas später sind die Schmerzen weg. Dann kann ich sagen: Die Tablette hat gewirkt. Aber stimmt das? Kann ich sicher sein, dass wirklich die Tablette meine Schmerzen beseitigt hat? Vielleicht lags einfach am Feierabend und eben daran, dass ich den Bürostress hinter mir lassen konnte. Oder dass ich noch eine halbe Stunde an der frischen Luft spazieren gegangen bin. Um eine bestimmte Wirkung auf eine bestimmte Ursache zurückführen zu können, muss man möglichst systematisch vorgehen.

Die persönliche Erfahrung kann vielerlei (unbekannte) Ursachen haben, wie das Beispiel Kopfschmerz zeigt. Schön, dass die Schmerzen weg sind, aber das muss nicht unbedingt an der Tablette liegen. Vielleicht wäre die Malaise auch ohne Tablette nach einer Stunde verschwunden. Denn in der Tat gehen viele Beschwerden und Erkrankungen nach einer gewissen Zeit von selbst weg (die Medizin nennt das Spontanremission). Wenn die Besserung dem Einnehmen eines Medikaments folgt, bringt man das leicht in einen ursächlichen Zusammenhang, der aber möglicherweise falsch ist. Die wichtigste Rolle spielt sicherlich der Placeboeffekt (siehe GPSP 3/2012, S. 3): Wer daran glaubt, dass die Schmerztablette wirkt, erzielt nicht selten alleine dadurch eine positive Wirkung. Egal, ob in der Tablette ein Arzneistoff war oder nur „Zucker“. Fazit: Eine einzelne, persönliche Erfahrung lässt sich nicht verallgemeinern.

Die gebündelte Erfahrung vieler Menschen kann den Weg für Verallgemeinerungen ebnen. Diese Erfahrung machen sich Studien zunutze. Deren Vorteil ist, dass die zuvor genannten möglichen Einflüsse (Placeboeffekt, Spon­tanremission) weitgehend ausgeglichen werden können. Dazu wird beispielsweise ein echter Wirkstoff mit einem Placebo verglichen. Aus den Ergebnissen der Studie mit ausreichend vielen Teilnehmern lässt sich so errechnen, ob das „echte“ Medikament besser wirkt als das Placebo.

Die Bewertung und die Interpretation der Ergebnisse ist ebenso wichtig. In den letzten Jahren wurden Kriterien erarbeitet, die eine Studie mit guter Qualität kennzeichnen. So sollten weder Arzt noch Patient wissen, wer das Prüfpräparat und wer das Placebo oder ein Vergleichsmedikament bekommt. Das nennt man Verblindung. Nur wenn solche Kriterien befolgt werden, sind die Ergebnisse aussagekräftig. Die Resultate sind in der Regel umso zuverlässiger, je mehr Teilnehmer die Studie hat, weil damit zufällige Einflüsse immer unwahrscheinlicher werden.

Der Vergleich und die Zusammenfassung mehrerer Studien können die Ergebnisse noch verlässlicher machen (Meta-Analyse). Allerdings müssen die berücksichtigten Studien von guter Qualität sein. Eine Meta-Analyse qualitativ schlechter Einzelstudien ist nicht aussagekräftig.

Wenn also ein Medikament oder eine Behandlung in mehreren Studien keinen Nutzen gezeigt hat, kann man davon ausgehen, dass es diesen in der Tat nicht gibt. Mit anderen Worten: Eine individuelle positive Erfahrung wird in diesem Fall wohl andere Ursachen haben, zum Beispiel den Placeboeffekt. Umgekehrt gilt aber auch: Es gibt kein Medikament, das bei allen wirkt, weil Stoffwechsel und Gene der Menschen nicht identisch sind (siehe GPSP 2/2014 S. 16GPSP 4/2014 S. 7).

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2014 / S.25