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Tröpfeln, Brennen, Überschwemmung

Wenn Arzneimittel die Blase schwächen

Schwierigkeiten beim Wasserlassen oder eine Blasenschwäche sind gerade bei älteren Menschen keine Seltenheit. Doch zu selten bedenken Ärzte und Ärztinnen, dass Arzneimittel solche Probleme verursachen oder verstärken können.

Über Probleme mit der Blase wird oft nicht gesprochen – manchmal noch nicht einmal mit dem Arzt. Mit zunehmendem Alter sind aber immer mehr von solchen Beschwerden betroffen.

Kontrollprobleme

Unter Blasenschwäche (Harninkontinenz) leiden vor allem Frauen. Bei der überaktiven Blase oder Reizblase meldet sich die Blase schon bei sehr kleiner Füllmenge. Betroffene müssen häufig und meist dringend zur Toilette. Dabei kann Urin auch ungewollt abgehen. Noch häufiger ist bei Frauen jedoch die Belastungsinkontinenz: Wenn sich im Bauchraum der Druck erhöht – etwa beim Husten, Niesen, Lachen oder bei schwerem Tragen – öffnet sich der Blasenausgang unwillkürlich. Das liegt meist an der schwach gewordenen Muskulatur des Beckenbodens, die normalerweise den Verschluss der Blase unterstützt. Durch Schwangerschaften und Geburten sowie bei Übergewicht reicht die Kraft dieser Muskeln häufig nicht mehr.1

Probleme mit der Blasenentleerung kommen auch bei Männern vor. Aber anders: Bei ihnen liegt es meist an der Vorsteherdrüse (Prostata). Mit zunehmendem Alter vergrößert sich diese durch eine gutartige Vermehrung von Zellen. Dadurch wird die Harnröhre eingeengt und die Blase lässt sich schwieriger, d.h. nur mit höherem Druck, entleeren. Der Harnstrahl ist nicht mehr so kräftig und manchmal tröpfelt es nur noch. Ist die Harnöhre sehr stark eingeengt, kann die Blase nicht mehr vollständig entleert werden (Restharn). Bei sehr viel Restharn fließt dieser manchmal von selbst ab – Mediziner sprechen dann von einer Überlaufinkontinenz.2

Mit dem Arzt sprechen

Nicht selten sind Arzneimittel der sprichwörtlich „letzte Tropfen“, der das Fass – oder hier die Blase – bei Frauen und Männern zum Überlaufen bringt.3,4 Deshalb ist es wichtig, dass Sie Ihren Arzt auf bereits bestehende Blasenprobleme aufmerksam machen. Dann kann er das bei der Verordnung von Arzneimitteln berücksichtigen.

Zu bedenken ist dies etwa bei wassertreibenden Arzneimitteln (Diuretika). Sie werden häufig bei Bluthochdruck oder Herzschwäche verordnet und erhöhen die Harnmenge. Bei Blasenschwäche können Diuretika die Probleme vergrößern. Besprechen Sie mit Ihrem Arzt den günstigsten Einnahmezeitpunkt, denn eventuell lässt sich die vermehrte Urinausscheidung zeitlich so legen, dass der Weg zur Toilette kurz ist. Vernünftige Ärzte wissen: Wer besonders nachts unter Harndrang leidet, sollte ein wassertreibendes Mittel möglichst nur morgens oder in der ersten Tageshälfte einnehmen.

Möglichst verzichten

Probleme mit der Blasenentleerung können durch Medikamente entstehen, die den Botenstoff Azetylcholin beeinflussen. Dieser spielt für die Blasenentleerung eine wichtige Rolle, denn er steuert sowohl die Muskulatur der Blasenwand als auch den Verschlussmechanismus. Medikamente, die die Wirkung von Azetylcholin abschwächen (anticholinerge Arzneistoffe), erhöhen die Spannung der Schließmuskulatur. Bei Männern mit vergrößerter Prostata können sich dadurch Probleme beim Wasserlassen verstärken. Deshalb sollten sie solche Mittel möglichst nicht einnehmen.

Solche anticholinergen Wirkstoffe finden sich etwa in Schlafmitteln, Kombinations-Grippemitteln, Mitteln gegen Juckreiz (Antihistaminika) und in Medikamenten gegen Reiseübelkeit, die es alle rezeptfrei in der Apotheke gibt. Allerdings machen auch rezeptpflichtige Mittel derartige Blasenprobleme, darunter einige Medikamente gegen Depressionen sowie Arzneimittel zur Behandlung der überaktiven Blase. Ärzte müssen bei Männern mit Prostatabeschwerden sehr sorgfältig die Vor- und Nachteile solcher Medikamente abwägen.5

Keine Seltenheit

Zu den Arzneimitteln, die Blasenschwäche fördern, gehören auch Mittel, die die Wirkung von Azetylcholin verstärken, und die bei beginnender Demenz verordnet werden: Sie bewirken, dass sich die Blasenmuskulatur stärker anspannt. Patienten mit Reizblase können dadurch stärkere Beschwerden bekommen.6

Besonders nachts kann sich bei bestimmten Medikamenten gegen psychische Erkrankungen eine Blasenschwäche bemerkbar machen: Patienten, die sogenannte atypische Neuroleptika wie Clozapin oder Olanzapin einnahmen, berichteten von einem nassen Bett durch Einnässen im Schlaf.7 Vermutlich lassen diese Psychopharmaka die Schließmuskulatur erschlaffen.

Verstopfungen sind ungünstig

Manche Arzneimittel verstärken eher unerwartet eine Blasenschwäche. Das gilt besonders für Wirkstoffe, die Verstopfung verursachen, etwa starke Schmerzmittel (Opioide, inklusive Codein). Denn ein sehr voller Darm erhöht den Druck im Bauchraum. Dem hat ein schwacher Beckenboden nur wenig entgegenzusetzen, sodass unwillkürlich Urin abgeht. Wenn Patienten durch Arzneimittel häufiger husten müssen, nehmen Inkontinenzprobleme ebenfalls zu – etwa bei ACE-Hemmern gegen Herzschwäche und Bluthochdruck.

Mehr Infektionen

Arzneimittel können auch bakterielle Infekte der Harnwege begünstigen, sodass man öfter Wasserlassen muss. Häufig brennt es auch dabei.

Diese Nebenwirkung ist vor allem bei einer Gruppe von neueren Medikamenten gegen Typ-2-Diabetes bekannt. Wirkstoffe wie Dapagliflozin oder Empagliflozin senken den Zuckerspiegel im Blut, indem sie die Ausscheidung von Zucker über den Urin forcieren. Das fördert zugleich das Wachstum von Bakterien im Harntrakt, wodurch sich leichter eine Blasenentzündung entwickelt.8

Fazit: Kommt es mit neuen Arzneimitteln oder nach einer Dosisveränderung zu Blasenproblemen, scheuen Sie sich nicht, mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin die Beschwerden zu besprechen. Manches lässt sich durch eine veränderte Medikation beheben, vieles verbessern.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 02/2016 / S.25