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Quacksalberei gegen Krebs: Amygdalin und Laetrile

Sie werden seit Jahrzehnten als alternative Mittel zur Behandlung von Krebs propagiert: Amygdalin und seine Abkömmlinge wie beispielsweise Laetrile. Amygdalin findet sich in Aprikosenkernen, in Bittermandeln und anderen Steinfrüchten. Im Körper kann aus Amygdalin die giftige Blausäure1 freigesetzt werden. Dass diese gezielt nur Krebszellen angreift, ist gefährlicher Unsinn.

Es wird behauptet, dass Amygdalin gezielt Krebszellen abtötet, weil in diesen entarteten Zellen die Blausäure mithilfe eines Enzyms (Betaglukosidase) freigesetzt wird. Gesunde Zellen bleiben davon angeblich unbeeinflusst, da nur die Krebszellen große Enzymmengen enthalten sollen. Diese gewagte These wurde schon in den 1980er Jahren durch Messungen widerlegt: Der Enzymgehalt von gesunden Zellen sowie bösartigen Tumorzellen unterschied sich nicht wesentlich.

Bereits seit Jahrzehnten warnt die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA vor dem „Quacksalbermittel“2 Amygdalin. In einer vom US-amerikanischen nationalen Krebsinstitut gesponserten Studie konnte in den 1980er Jahren ein Nutzen nicht nachgewiesen werden. Demnach kann Amygdalin Krebs weder heilen, stabilisieren oder lindern noch das Leben Krebskranker verlängern.3 An dieser wissenschaftlichen Bewertung hat sich bis heute nichts geändert: Auch eine aktuelle systematische Auswertung vorhandener Studien fällt für Amygdalin negativ aus.4

Schädliche Wirkung

Angesichts der fehlenden Nutzenbelege warnte kürzlich ein Autor aus dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vor beträchtlichen unerwünschten Wirkungen, darunter Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit und Erbrechen.5 Und zu viel Blausäure im Blut kann tödlich sein: Atemnot und Erstickung.

Wer öfter Lebensmittel isst, die neben Amygdalin einen hohen Gehalt am Enzym Betaglukosidase haben, etwa das Innere von Aprikosenkernen, riskiert eine Blausäurevergiftung.7 Die Gefährdung nimmt zu, wenn – wie bisweilen empfohlen – gleichzeitig hoch dosiert Vitamin C eingenommen wird: Unser Körper kann sich normalerweise selbst ausreichend entgiften und so auch geringe Mengen Blausäure ausscheiden. Zu viel Vitamin C behindert diesen Schutzmechanismus.3

Bisweilen wird sogar behauptet, dass sich Amygdalin nicht mit konventionellen Krebstherapien verträgt. Auch das ist eine gefährliche Botschaft, weil Kranke dadurch möglicherweise auf gesichert wirksame Krebstherapien verzichten.5

Das BfArM stuft Amygdalin als bedenklichen Arzneistoff ein. Es darf deshalb nicht in Apotheken verkauft werden, selbst wenn es eine ärztliche Verordnung gibt.5 Anbieter umgehen dieses Verkaufsverbot, indem sie Amygdalin – oft fälschlich als Vitamin B17 bezeichnet (siehe Kasten S. 17) – als Nahrungsergänzungsmittel vermarkten. Es wird auch in einigen Arzt- oder Heilpraktikerpraxen im Rahmen alternativer Krebstherapien angeboten.

Verfechter der Amygdalin-Krebstherapie stiften zudem Verwirrung mit Verschwörungstheorien. Das ist für solche Quacksalberangebote typisch (GPSP 6/2006, S. 6). Behauptet wird: Das aus der Natur stammende „Vitamin“ sei für die „pharmazeutischen Kartelle“ uninteressant, da es nicht patentierbar sei. Das medizinische Establishment unterdrücke daher Informationen zum Nutzen von Amygdalin.3 Angesichts der bedenklichen Risiken von Amygdalin und der international gut dokumentierten Negativergebnisse ist dies eine gefährliche Irreführung.

Wir warnen dringend vor angeblichen Krebstherapien mit Amygdalin und Abkömmlingen wie Laetrile. Derartige Quacksalberei ist gefährlich.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2015 / S.17