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© J. Schaaber

Rechtzeitig vorbereiten

Medikamente im Urlaub

Wer chronisch krank ist und verreisen will, sollte sich für die Urlaubsvorbereitung ausreichend Zeit nehmen. Denn gerade bei Transport und Anwendung der notwendigen Medikamente gibt es Einiges zu bedenken. Ratschläge dafür gibt die Apothekerin Gabriele Regina Overwiening, die wir zum Thema befragt haben.

Ob Asthma, Diabetes oder Bluthochdruck: Wer mit einer chronischen Erkrankung auf Reisen geht, muss natürlich auch die Medikamente mitnehmen, die täglich benötigt werden. Wie viel braucht man im Urlaub?

Gabriele Regina Overwiening: Zuerst einmal natürlich die Menge, die der Anzahl der Urlaubstage entspricht. Bei vielen Erkrankungen kann man das ja gut abschätzen. Es kann aber immer passieren, dass ich mal eine Tablette verliere, dann sollte ich eine kleine Reserve dabei haben. Große Vorräte muss man aber nicht mitnehmen. Anders ist das bei Medikamenten, die man nur bei Bedarf einnimmt: In diesem Fall ist es günstig, etwas mehr dabei zu haben, weil man nicht immer wissen kann, wie sich die Krankheit entwickelt. Das ist etwa bei Schmerzpatienten wichtig oder bei Patienten mit Migräne. Solche Krankheiten können sich durch die Belastung der Reise oder auch je nach Urlaubsort durchaus verstärken.

Gerade wenn ich mit dem Flugzeug reise, kann es passieren, dass mein Koffer verloren geht.

Richtig. Deshalb sollte man seine Medikamente auch immer im Handgepäck verstauen oder in der Handtasche, die man immer griffbereit hat. Das gilt übrigens auch auf Busreisen, wenn der Koffer während der Fahrt nicht erreichbar ist. Im Handgepäck sind auch die klimatischen Bedingungen für Arzneimittel besser.

Was heißt das genau?

Einige Präparate sind sehr temperaturempfindlich. Dazu gehören zum Beispiel Insulin oder andere Medikamente, die Wirkstoffe auf Eiweißbasis enthalten. Man vergisst leicht, dass der Gepäckraum im Flugzeug im Gegensatz zur Passagierkabine in der Regel nicht klimatisiert ist. Bei den üblichen Flughöhen herrschen sehr tiefe Temperaturen, und dann könnte es durchaus passieren, dass das Insulin einfriert. Dadurch verliert es seine Wirksamkeit.

Insulin muss doch im Kühlschrank aufbewahrt werden?

Richtig, Insulin darf auch nicht zu warm werden. Für den Urlaub bietet es sich an, das Insulin während der Reise in einer kleinen Kühltasche mit Kühlakkus zu transportieren. Dabei muss man aber darauf achten, dass die Ampullen nicht direkt an den Kühlakkus anliegen, sonst kann das Insulin auch in der Kühltasche einfrieren.

Reichen dafür handelsübliche Kühltaschen?

Ja, einfach diejenigen, die man auch mit ins Freibad oder zum Grillfest mitnimmt.

Die Kühlakkus halten aber nicht den ganzen Tag.

Bei sehr langen Reisen kann man auch fragen, ob man das Insulin in Bus oder Flugzeug in den Kühlschrank legen kann. Und am Urlaubsort gibt es häufig im Hotelzimmer einen Kühlschrank für die Minibar, der eignet sich auch, um Insulin zu lagern.

Wie gefährlich ist es, wenn diese Kühlung unterbrochen war, etwa weil die Kühlakkus doch nicht so lange durchhalten wie gedacht?

Wenn die Umgebungstemperatu­ren nicht allzu hoch sind, ist das bei Insulin kein großes Problem, wenn es zeitnah verbraucht wird. Die einzelnen Ampullen sind vier Wochen bei Raumtemperatur haltbar, also bei etwa 20 - 25 Grad. In dieser Zeit muss man auch keinen Wirkungsverlust befürchten. Kritisch kann es nur werden, wenn die Umgebungs­temperaturen viel höher sind.

Auf der Insulinpackung steht aber ein viel längeres Haltbarkeitsdatum als vier Wochen.

Insulin, das bei Raumtemperatur aufbewahrt wird, ist nicht so lange haltbar, wie es das Verfalldatum auf der Packung angibt. Das gilt nämlich nur, wenn tatsächlich Temperaturen von zwei bis acht Grad eingehalten werden. Hat der Patient oder die Patientin also Insulin für den Urlaub aus der Packung im Kühlschrank genommen und nicht vollständig aufgebraucht, sollte er eventuelle Reste zuerst benutzen und nicht einfach zu den Vorräten zurücklegen.

Gibt es neben Insulin noch andere Arzneimittel, die es nicht zu warm mögen?

Ja, zum Beispiel Dosieraerosole wie sie in Asthmasprays vorkommen. Die sollte man nie der direkten Sonnenstrahlung aussetzen. Wer mit dem Auto unterwegs ist, sollte Arzneimittel auch nie im Handschuhfach lagern, da kann es durchaus 40 oder 50 Grad warm werden. Bei vielen Medikamenten gibt es dann keine Garantie, dass sie wirklich unversehrt sind. Grundsätzlich gilt für alle Arzneimittel: Nicht zu heiß und nicht zu kalt lagern, nicht dem Licht aussetzen.

Kann es Probleme geben, wenn im Reiseland die Luftfeuchtigkeit hoch ist?

Tabletten in einer Durchdrückpackung sind ganz gut geschützt. Problematisch kann es werden, wenn die Tabletten in einer Dose aufbewahrt sind und der Deckel nicht richtig schließt.
Manche Patienten, die viele Tabletten benötigen, nehmen sie vorab aus der Durchdrückpackung und sortieren sie dann in Dosierbehälter ein.

Bei hoher Luftfeuchtigkeit ist das keine gute Idee. Dann fehlt dieser Schutz gegen Feuchtigkeit, und darunter können die Tabletten leiden. Wer unbedingt Dosierbehälter nehmen will, kann vorsichtig die Durchdrückpackungen in kleine Einheiten schneiden, sodass die Tabletten immer noch vollständig umhüllt sind, und dann die kleinen Abschnitte in den Dosierbehälter einsortieren.

Gibt es noch weitere Beispiele für feuchtigkeitsempfindliche Arzneimittel?

Auch bei Pulverinhalatoren, die manche Patienten mit Asthma oder anderen Erkrankungen der Atemwege benutzen, kann es zu Schwierigkeiten kommen: In vielen Modellen findet sich ein Vorrat mit feinem Pulver, in dem der Wirkstoff enthalten ist. Von diesem Vorrat wird auf Knopfdruck dann die richtige Menge abgeteilt, die der Patient kräftig einatmen muss. Bei hoher Luftfeuchtigkeit kann das Pulver verklumpen. Ich empfehle rechtzeitig mit dem Arzt zu sprechen, ob er den Wirkstoff auch als Dosieraerosol verordnen kann. Da wird der Wirkstoff mithilfe eines Treibgases fein verteilt, und hohe Luftfeuchtigkeit macht nichts aus.

Wer mit dem Flugzeug reist, muss vorher durch die Sicherheitskontrolle. Auf was muss man da achten?

Diabetespatienten, die Insulin spritzen, brauchen im Urlaub natürlich auch Spritzen oder Pens mit Nadeln, um sich das Insulin zu spritzen. Und außerdem noch Lanzetten, um das Blut für die Blutzuckermessung zu gewinnen. Die gelten alle als „spitze Gegenstände“, die eigentlich im Handgepäck verboten sind.

Aber Diabetespatienten sollten sie doch immer bei sich haben.

Ja, deshalb sollten sie sich vorab eine ärztliche Bescheinigung besorgen, dass sie Diabetiker sind und Spritzen und Lanzetten im Handgepäck benötigen. Leider garantiert das auch nicht, dass es keine Schwierigkeiten gibt. Die Sicherheitsdienste handhaben das sehr unterschiedlich: Für manche ist das gar kein Problem, andere haben aber kein Verständnis und rufen gleich den Bundesgrenzschutz, wenn der Passagier darauf besteht, die Spritzen mit an Bord zunehmen. Deshalb ist es wichtig, frühzeitig Vorbereitungen zu treffen: Bei der Buchung und beim Check-in darauf hinweisen, dass man die Spritzen im Handgepäck braucht. Das Zubehör zusammen mit der ärztlichen Bescheinigung von sich aus bei der Sicherheitskontrolle vorzeigen und erklären, was es damit auf sich hat. Dann kommt erst gar nicht der Verdacht auf, dass man etwas verstecken oder verheimlichen will. Und man sollte genügend Zeit am Flughafen einplanen, damit man nicht wegen möglicher Diskussionen den Flieger verpasst.

Was müssen Patienten beachten, die starke Schmerzmittel brauchen, die besonders streng kontrolliert werden, weil sie unter das Betäubungsmittelgesetz fallen?

Innerhalb des Schengen-Raums, dazu gehören weite Teile der Europäischen Union, aber auch Norwegen und die Schweiz, ist eine spezielle Bescheinigung nötig (siehe Kasten). Für andere Länder existiert keine einheitliche Regelung. Manchmal reicht eine ärztliche Bescheinigung, in anderen Fällen gibt es Mengenbeschränkungen, oder es ist sogar eine Vorabgenehmigung des jeweiligen Einreiselandes nötig. Je nach Land sind nicht nur starke Schmerzmittel wie Morphin, sondern auch starke Beruhigungsmittel (Benzodiazepine) betroffen. Deshalb empfehle ich, gerade bei Reisen außerhalb der EU oder zu exotischen Urlaubszielen, sich rechtzeitig beim Auswärtigen Amt oder der Botschaft des Urlaubslandes erkundigen.

Muss ein Patient mit chronischen Erkrankungen auch die Zeitverschiebung beachten?

Ja, das spielt bei vielen Erkrankungen eine Rolle, bei denen die Arzneimittel nach einem relativ festen Zeitplan einzunehmen sind, also beispielsweise bei Parkinson oder bei chronischen Schmerzen. Patienten mit Diabetes, die Insulin spritzen, brauchen Insulin nicht nur für die Mahlzeiten, sondern auch für ihre Grundversorgung, das ist natürlich auch zeitabhängig. Chronisch Kranke sollten bei Reisen mit Zeitverschiebung immer mit ihrem Arzt besprechen, wie sich die Einnahmezeiten oder Spritzzeiten ändern. Auch Apothekerinnen und Apotheker können da häufig weiterhelfen.

Wirken Medikamente auch, wenn man Durchfall bekommt?

Durchfall kann bei Tabletten dazu führen, dass der Arzneistoff nicht richtig vom Körper aufgenommen wird. Bei einigen Erkrankungen ist das nicht so dramatisch, wenn man mal einen oder zwei Tage nicht die volle Dosis erhält. Bei anderen kann es aber kritisch werden. Das gilt übrigens nicht nur für Medikamente gegen Erkrankungen, sondern auch bei der Anti-Baby-Pille. Wer in eine Gegend reist, in denen Touristen erfahrungsgemäß häufiger an Magen-Darm-Problemen leiden, sollte vorab mit seinem Arzt besprechen, wie er oder sie sich in einem solchen Fall verhalten sollte.

Viele Schwierigkeiten lassen sich also mit einer guten Vorbereitung in den Griff bekommen.

Ja, es ist gerade bei entfernteren Reisezielen wichtig, sich gut über den Urlaubsort zu informieren, also wie die hygienischen Bedingungen sind und welche Möglichkeiten für die Gesundheitsversorgung zur Verfügung stehen. Die Wirklichkeit ist oft anders, als es der Reiseprospekt vermittelt. Und dann sollten Patienten rechtzeitig mit dem Arzt oder der Ärztin über die Reise und die Rahmenbedingungen sprechen. In der Apotheke können wir auch helfen, etwa mit Informationen zu geeigneten Darreichungsformen, Verpackungen oder Packungsgrößen.

Vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch!

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2017 / S.19