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©Annika Ucke

Mit Eigenblut gegen Kniearthrose

Macht Orthokin® den Knorpel fit?

Viele Menschen mit schmerzhaften Kniearthrosen erhoffen sich Linderung durch Spritzen ins Kniegelenk. Bei solchen Injektionen mit Orthokin® wird dazu eigenes Blut des Behandelten verwendet – eine Methode mit zweifelhafter Wirkung.

Schmerzhafte Abnutzungserscheinungen an Gelenken (Arthrosen) sind weit verbreitet. Vor allem in mechanisch stark beanspruchten Gelenken wie Hüfte und Knie verursachen Knorpelschäden und Entzündungsprozesse solche Beschwerden. Während eine Hüftgelenksarthrose im fortgeschrittenen Stadium heute sehr gut zu operieren ist (künstliches Hüftgelenk), ist dies beim Knie wesentlich schwieriger. Deshalb setzt man hier – neben allgemeinen Maßnahmen wie Physiotherapie und orthopädischen Hilfsmitteln – auf Medikamente. Ziel ist es, Schmerzen und Entzündungserscheinungen zu lindern und die Beweglichkeit zu verbessern. Eine wichtige Rolle hierbei spielen klassische Schmerzmittel wie Paracetamol (GPSP 3/2012, S. 5) oder, wenn diese nicht ausreichen, Entzündungshemmer wie Ibuprofen oder Naproxen (GPSP 1/2008 S. 3).

Keine Wunder in Sicht

Ideal wären Mittel, die den geschädigtenGelenkknorpel wieder reparieren und vor weiterer Schädigung bewahren könnten. Als ein solches (Wunder-)Mittel wird seit etwa zehn Jahren Orthokin® angeboten. Hierbei handelt es sich um eine jeweils individuell aus dem Blut des Patienten hergestellte Zubereitung.

Die Orthokin®-Erfinder liefern Ärzten Spezialspritzen, die oberflächenbehandelte Glaskügelchen enthalten. Den Patienten wird Blut entnommen und mit den Kügelchen zusammengebracht, was angeblich die Bildung entzündungshemmender Botenstoffe anregt. Dieses Blut wird dann in das kranke Kniegelenk gespritzt. Obwohl wissenschaftlich sehr umstritten, behandeln in Deutschland etwa 500 Ärzte und Ärztinnen so ihre Patienten mit Eigenblut.1,2

Skandalträchtig an diesem Verfahren ist, dass Orthokin® kein so genanntes Fertigpräparat ist und daher nicht den üblichen Zulassungsbestimmungen für Arzneimittel unterliegt. Der Anbieter muss weder Belege für die Wirksamkeit noch für die Sicherheit bei der Behörde einreichen.

Kein Grund zum Jubel

In der Presse wurde die Methode, für die Patienten pro Injektionsserie rund 1.400 Euro aus eigner Tasche bezahlen müssen, dennoch von Anfang an enthusiastisch gefeiert: „Heilender Schuss ins Knie“ oder „Knorpel in kranken Gelenken wieder fit“.3

Folgt man den Anbietern, sollen Studien beweisen, dass sich durch Orthokin® bei leichten und mittelschweren Knie-Arthrosen Schmerzen und Gelenkfunktion bessern lassen. Dies können die Daten jedoch nicht belegen.4,5 Beispielsweise fallen grobe methodische Mängel auf. So erhielten in einer Düsseldorfer Studie die Patienten innerhalb von 26 Wochen entweder sechs Injektionen Orthokin®, oder die Patienten der Placebogruppe dreimal Kochsalzinjektionen.6 Wen wundert es da, dass die sechsmal Behandelten insgesamt mehr Linderung von Schmerz und Gelenksteife verspürten als die Personen, die lediglich dreimal behandelt wurden. Vor jeder Injektion wird nämlich zunächst durch eine Spülung Gelenkflüssigkeit mit Knorpelabschilferungen und Entzündungsstoffen aus dem Gelenk entfernt. Jede Flüssigkeit, die anschließend in das Gelenk gespritzt wird, verschafft – wie ein frisches Polster – Linderung. Allein aufgrund der unterschiedlich häufigen Injektionen können die Ergebnisse also keinen spezifischen Effekt der Eigenblutzubereitung beweisen.4,5

Eine ordentlich gemachte Studie mit rund 150 Patienten mit Kniearthrose7 fällt eindeutig zu Ungunsten von Orthokin® aus. Egal ob die Patienten sechsmal eine Orthokin®-Spritze oder eine Placebo-Injektionen in das Kniegelenk erhielten, die Beschwerden bessern sich nur minimal. Allerdings traten unter Orthokin® bei zwölf Patienten unangenehme Nebenwirkungen auf, darunter sogar schwere Gelenkentzündungen.5 Placebo-Patienten blieben von solchen Schäden verschont. Angesichts solcher Ergebnisse raten wir von der teuren und nicht ungefährlichen Eigenblut-Methode ab.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2012 / S.11