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© ananaline/iStock

Rezeptpflichtige Mittel: Direktwerbung

Mit enormem Aufwand hat der Hersteller von Natalizumab (Tysabri®) sein Präparat gegen Multiple Sklerose als „Quantensprung in der MS-Therapie“ bei Ärzten beworben. Er hat sogar in Frauenzeitschriften die Werbetrommel gerührt, obwohl bei uns jegliche Reklame für verschreibungspflichtige Arzneimittel außerhalb von Fachkreisen verboten ist ­(siehe Buchbesprechung in diesem Heft S. 10). Dabei ist der Nutzen des Mittels nicht zuverlässig erwiesen und erhebliche Schäden sind möglich.1 Schon 2005, kurz nach der Zulassung in den USA, wurde der Vertrieb des Mittels vorübergehend gestoppt, weil eine möglicherweise lebensbedrohliche Schädigung von Nervenbahnen aufgefallen war. Immer wieder erkranken Patienten daran. In Europa ist das Präparat seit 2006 auf dem Markt.

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, die mittlerweile von rund 50 Betroffenen Kenntnis hat, empfahl jetzt Ärzten, das Medikament nur nach eingehender Aufklärung und spezieller Einverständniserklärung des Patienten zu verordnen.2
Das relativ geringe, aber sehr bedrohliche Risiko der Nervenschädigung durch Natalizumab unterstreicht die gefährlichen Folgen von Direktwerbung 3 für rezeptpflichte Präparate bei Patienten. Denn der Nutzen wird in der Werbung überhöht, und die Risiken klammern Firmen gerne aus oder schreiben sie klein. Bereits jetzt sind die Behörden außer Stande, verbotene – und in journalistischen Beiträgen verborgene – Pharmawerbung zu unterbinden, geschweige denn Zuwiderhandlungen zu bestrafen, und zwar so, dass sie illegal agierenden Unternehmen auch weh tun. Deshalb ist es absurd, wenn die EU-Behörden jetzt die Werbung für rezeptpflichtige Präparate freigeben wollen.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2010 / S.08