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© ananaline/iStock

Kein Entkommen: Bisphenol A

Weltweit produziert die chemische Industrie im Jahr 3,8 Millionen Tonnen Bisphenol A. Das Umweltbundesamt hat veranschaulicht, in wie viele Vierzigtonner – das sind die ganz riesigen Lkw – diese Menge passt: 100.000! Hintereinander gereiht macht das 1.900 Kilometer Straße, eine Strecke von Hamburg bis Rom.1 Dabei ist Bisphenol A keine unproblematische Chemikalie, sondern dem weiblichen Sexualhormon Östrogen ähnlich. Der britische Biochemiker, der die Substanz 1936 synthetisiert hat, war in der Tat auf der Suche nach einem Ersatz für natürliches Östrogen.

Als Arzneimittel kam Bisphenol A nie zum Zuge, weil wenig später potentere Östrogene synthetisiert wurden. Aber, Bisphenol A hat andere nützliche Eigenschaften, weshalb es heute in unzähligen Alltagsprodukten steckt. Als Ausgangsstoff für hartes, zähes Polykarbonat festigt es Handys, Motorradhelme, Computergehäuse und Wasserkocher. Als Grundstoff von Epoxidharz beschichtet es Metallverpackungen von Getränke- und Konservendosen. Als Zusatzstoff wird es für Thermopapier – etwa für Kassenbons – und Bremsflüssigkeiten gebraucht. Und wer seine Zähne versiegeln oder mit Kunstmasse füllen lässt, kann ebenfalls mit Bisphenol A in Kontakt kommen.

Trotz der Massenproduktion fehlt bislang eines: eine zuverlässige Einschätzung der Risiken, die sich aus der hormonellen Wirkung ergeben. Die europäische Lebensmittelbehörde EFSA entwarnt zwar, weil die tägliche Aufnahme weit unter einer kritischen Grenze läge. Man findet aber in Studien nur Risiken, nach denen man auch sucht. Und Veränderungen im Verhalten von Tieren beispielsweise spielen für die EFSA eben keine Rolle, moniert das Umweltbundesamt.2 In seinem ausführlichen Hintergrundpapier gibt das Amt zu bedenken, dass Bisphenol A in der Umwelt allgegenwärtig ist 3 und bei Tieren Fehlbildungen an den Sexualorganen, schlechte Spermienqualität und Verschiebung der Geschlechterverhältnisse belegt sind.

Einige Staaten nehmen den vorbeugenden Verbraucherschutz, zumal bei Kindern, offenbar ernst: Kanada hat Bisphenol A freisetzende Babyflaschen verboten, in Frankreich stehen Trinkflaschen auf Basis von Bisphenol praktisch vor dem Aus, und die Dänen verhindern per Gesetz, dass Kinder die Risikosubstanz durch Flaschen, Becher und Lebensmittelverpackungen aufnehmen.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2010 / S.08