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©Thomas Kunz

Impfen: Herdenschutz

Sich und andere schützen

Manche Menschen können aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden. Bei anderen bildet das Immunsystem keinen Impfschutz aus. Wer aber selbst erfolgreich geimpft ist, nützt nicht nur sich, sondern auch anderen. Denn ansteckende Krankheitserreger können sich dann in der Bevölkerung („Herde“) nicht so leicht ausbreiten, wenn ein hoher Anteil geimpft ist (Herdenschutz oder Herdenimmunität). – Eine erfreuliche Tatsache, die allerdings nicht für alle Impfungen gilt.

Die Masern sind eine Infektionskrankheit, die von Mensch zu Mensch leicht übertragen wird. Wer nicht geimpft ist, riskiert eine Ansteckung. Wie hoch dieses Risiko ist, hängt von der so genannten Durchimpfungsrate ab: Es ist umso geringer, je mehr Menschen geimpft sind.

Damit sich die Masern nicht schon durch einen einzelnen Erkrankten rasch ausbreiten können, müssen möglichst viele Menschen geimpft sein. Am besten alle, bei denen es möglich ist – ausgenommen die Personen, für die eine Impfung gar nicht in Frage kommt. Dazu gehören – noch nicht geimpfte – Säuglinge und Kleinkinder, Menschen mit einem transplantierten Organ und Personen, die einzelne Impfstoffe (etwa wegen einer nachge­wiesenen schweren Hühner­eiweiß-Allergie) nicht vertragen. Bei HIV-infizierten Menschen hängt es vom Impfstofftyp und dem Zustand ihres Immunsystems ab, ob eine Impfung ratsam und erfolgreich ist.1

Alle Nicht-Geimpften profitieren davon, wenn in der „Menschenherde“ die Durchimpfungsrate hoch ist. Bei hochansteckenden Krankheiten wie Masern und Windpocken liegt die Mindestzahl bei etwa 95 von 100 Menschen. Bei anderen Infektionskrankheiten wird der Ausbreitung – durch Ansteckung von Ungeimpften – schon ein Riegel vorgeschoben, wenn etwa 80 bis 85 von 100 Menschen einen Impfschutz haben. Dazu gehören unter anderem Mumps und Röteln.

Ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass ein Infizierter einen anderen anstecken kann und dieser wiederum andere ansteckt usw. spricht man von „Herdenimmunität“. – Die ganze Herde ist immun, selbst wenn einzelne Schäfchen ungeschützt sind. Das bedeutet in letzter Konsequenz, dass der Erreger in dieser „Herde“ chancenlos ist – auch wenn etwa ein Zugereister den Krankheitserreger „importiert“. Masern gelten auf Grund der hohen Durchimpfungsrate in ganz Amerika als ausgerottet. Das ist in Deutschland anders, hier kommt es immer wieder zu Krankheitsausbrüchen (siehe Kasten S. 24).

Tetanus: Kein Herdenschutz

Tetanus, auch Wundstarrkrampf genannt, ist eine Erkrankung, bei der die Sache anders liegt: Es gibt praktisch keine Ansteckung von Mensch zu Mensch, sondern die problematischen Bakterien aus dem Erdreich werden als trockene Dauerformen (Sporen) überall hin verbreitet. Durch kleinere oder größere Verletzungen kann es bei Spiel und Sport draußen – oder bei der Gartenarbeit – zu einer Infektion mit dem bakteriellen Erreger Clostridium tetani kommen. Er vermehrt sich und bildet Giftstoffe (Toxine: Tetanolysin und Tetanospasmin), die Nervenbahnen angreifen.

Um vor Tetanus geschützt zu sein, braucht man die derzeit übliche Grund­immunisierung mit vier Impfungen im ersten Lebensjahr und muss später den Impfschutz regel­mäßig erneuern. Die Ständige Impf­kommission am Robert-Koch Institut empfiehlt im Alter von 5 oder 6 Jahren – also vor der Einschulung – eine erste Auf­frischungsimpfung und danach alle 10 Jahre eine erneute Auf­frischung.3 Der Grund: Anders als bei Masern erinnert sich das Abwehrsystem nicht lebenslang an die Erreger von Wundstarr­krampf. Das gilt sowohl für die Impfung als auch nach einer durchlebten Tetanuserkrankung.

Junge Menschen sind in Deutschland recht gut vor Tetanus geschützt. Über 95 % der Kinder sind zur Zeit der Einschulung geimpft. Insbesondere ältere Menschen sind gefährdet, weil viele nicht an eine Auffrischungsimpfung denken oder die Gefahren falsch einschätzen.4 Von den über 65-Jährigen haben nur 2 von 3 Personen einen ausreichenden Impfschutz. Jeder Dritte geht ein unnötiges Risiko ein.

©J. Schaaber

Zum Glück erkranken heutzutage in Deutschland jedes Jahr nur wenige Menschen an Wundstarrkrampf. Von Zeit zu Zeit wird von schweren Tetanusinfektionen bei (älteren) Menschen berichtet, die im Garten arbeiten.5 Hat sich eine Wunde infiziert, kann sie durchaus oberflächlich abheilen, während sich die Keime im Körper ausbreiten.

Erste typische Anzeichen einer Infektion sind neben Spannungsgefühlen im Bereich der Wunde, Verkrampfungen der Kau- und Gesichtsmuskeln – daher der Name Wund-Starr-Krampf. Eine aufwendige Behandlung in der Klinik ist nötig, bleibende Schäden sind möglich. Jeder vierte stirbt daran.5

Gerade für Menschen, für die eine Schutzimpfung nicht in Frage kommt, ist es wichtig, dass ihre Mitmenschen geimpft sind. Denn eine hohe Durchimpfungsrate schützt alle Mitglieder einer Gruppe („Herdenschutz“). Sich darauf zu verlassen, dass andere geimpft sind, ist nicht nur egoistisch, sondern auch zu kurz gedacht. Gegen Infektionskrankheiten wie Tetanus, die nicht von Mensch zu Mensch übertragen werden, hilft allerdings nur der eigene Impfschutz.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 02/2014 / S.23