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CC Christian Heldt

HIV mit Medikamenten vorbeugen?

Weltweit leiden viele Menschen an HIV-Infektionen und noch immer sterben Tausende an Aids, besonders in Entwicklungsländern. Kondome schützen sehr wirksam vor einer Ansteckung. Doch es wird auch nach anderen Wegen zur Vorbeugung gesucht. Medikamente zur Behandlung von HIV-Infektionen eignen sich prinzipiell ebenfalls zur vorbeugenden Einnahme. Aber ist diese Strategie sinnvoll?

Menschen mit einer HIV-Infektion profitieren von den aktuellen HIV-Medikamenten, die ihre Lebensqualität verbessern und die Lebenszeit verlängern. Schon länger ist bekannt, dass HIV-Medikamente sogar Ansteckungen verhindern können. Dies wurde in den vergangenen Monaten und Jahren verstärkt untersucht.1,2 Wichtig ist die Fragestellung beispielsweise für Paare, in denen ein Partner mit dem Virus infiziert ist. Was bietet den besten Schutz für den Partner oder die Partnerin?

In einer großen US-Studie mit 2.500 homosexuellen Männern schützte ein Kombi-Präparat aus Emtricitabin und Tenofovir (Truvada®) besser als ein Scheinmedikament. Innerhalb von gut einem Jahr steckten sich in der Placebogruppe 64 Männer an. In der Gruppe mit HIV-Medikament waren es 36.1 Zwei weitere Studien mit 1.200 heterosexuellen Männern und Frauen aus Botswana und mehr als 4.700 heterosexuellen Paaren aus Kenia und Uganda, von denen jeweils nur ein Partner mit HIV infi ziert war, zeigten: Im Vergleich zu Placebo steckten sich weniger bislang gesunde Partner an, wenn sie das Aids-Medikament prophylaktisch einnahmen. Das Ansteckungsrisiko war geringer. In absoluten Zahlen bedeutet dies, dass beispielsweise in der Kenia-Uganda-Studie von mehreren tausend Menschen 13 erkrankten, wenn sie mit dem Arzneimittel vorbeugten, während es in der Placebogruppe 47 waren.3 Alle Teilnehmer der drei Studien erhielten zusätzlich kostenfrei Kondome.

Das Medikament bietet also einen gewissen zusätzlichen Schutz vor HIV. Das Risiko wird etwa halbiert bzw. um drei Viertel reduziert. Das klingt nach viel. Bezogen auf die tatsächliche Infektionswahrscheinlichkeit in Deutschland wäre der Aufwand aber beträchtlich: Da bei uns homosexuelle Männer ein Infektionsrisiko von derzeit 3 bis 7 pro 1000 Männer und Jahr haben, bedeutet dies: Um eine Neuansteckung zu vermeiden, müssten 350 bis 800 Männer konsequent vorbeugend Truvada® einnehmen.4 Und dies bei jährlichen Kosten für das Medikament von mehr als 10.000 € pro Person. In ärmeren Ländern werden Aids-Medikamente zwar erheblich preiswerter verkauft, um Millionen Menschen vor Ansteckung zu schützen, wären sie aber dort dennoch unbezahlbar.

Auch medizinische Bedenken sprechen gegen eine medikamentöse Prophylaxe: Wer mit Medikamenten vorbeugen will, muss mit sehr häufigen unerwünschten Effekten rechnen. Diese Nebenwirkungen sind bei HIV-Kranken wegen des hohen Nutzens akzeptabel, nicht jedoch, wenn Gesunde das Aids-Medikament vorsorglich einnehmen. Die vorbeugende Einnahme kann zudem das Risiko von Resistenzen beschleunigen und so später Therapiechancen gefährden. Schließlich bleibt offen, ob die Kombination Truvada® tatsächlich das geeignetste vorbeugende Präparat ist.

Safer Sex bleibt die wichtigste Strategie gegen Infektionen mit HIV. Die Hoffnungen auf Aids-Impfstoffe haben sich bislang leider nicht erfüllt.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2011 / S.14