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Hilfe aus der Natur

Das ist doch irgendwie schön, dass Männern geholfen werden kann, die im Alter „unter sexueller Schwäche“ leiden, obwohl sie eigentlich noch „mit Lust bei der Sache“ sein könnten.1 Zumal es ja nicht nur um Lust geht, wie uns die Werbung erklärt: „Viele Betroffene fühlen sich nicht mehr als echte Männer, sondern als Versager“, wenn „das Sexualleben zum Stillstand kommt“.

Davon ahnte der junge Herbert Grönemeyer sicher nichts, als er den Song „Männer“ textete. Ihm fiel in dieser Sache nur ein: Männer brauchen viel Zärtlichkeit und Männer kaufen Frauen.

Aber die Zeiten ändern sich halt und mit den Jahren droht „eine mangelnde Durchblutung der Geschlechtsorgane“, was der lausbübische Herbert damals noch nicht wissen konnte. Jedenfalls ist das dann offenbar die Zeit für Abhilfe: „In der Apotheke gibt es ein wirksames Arzneimittel gegen sexuelle Schwäche (Deseo) sogar rezeptfrei.“ Wow! Wie gut, dass mann im Fall der Fälle andere Unterstützung findet als mit „zweifelhaften Aphrodisiaka aus dem Sex-Shop oder fragwürdigen Wundermitteln aus dem Internet“, vor denen der Anzeigentext der Dr. Fischer Gesundheitsprodukte GmbH warnt.2

Mit Deseo kann der sexuell Geschwächte in der Tat wenig falsch machen: Denn darin „steckt die geballte Wirkkraft der Turnera diffusa“, sagt der Anbieter und verrät übervorsichtigen Mitbürgern, dass von dieser Kraft andererseits nichts Böses zu befürchten ist. Das homöopathische Mittel enthält von der Pflanze „in der Konzentration D4“ praktisch nichts.

Umso wichtiger ist logischerweise, dass wir es bei Tunera diffusa mit „einer natürlichen Arzneipflanze“ zu tun haben. Also keinesfalls mit einer künstlichen Pflanze. Wäre ja auch noch schöner!

Und angenehm ist unbedingt auch, dass das Pflänzchen aus der Familie der Passionsblumengewächse „in Nord- und Mittelamerika“ wächst. Da denken wir gleich an die Indianer und andere Ureinwohner, die sich mit den Mitteln „aus der Natur“ kurierten und nicht mit Chemie.

Das mit der Chemie ist dem Anbieter von Deseo natürlich wichtig, darum informiert die Unterüberschrift seiner Anzeige: „kommt diesmal nicht aus den Chemie-Labors der Pharma-Riesen, sondern aus der Natur.“

Man – aber auch frau – fragt sich natürlich, wie die Natur das mit der D4-Verdünnung hinkriegt. Aber das sind Peanuts. Wichtiger ist doch, dass der Deseo-Wirkstoff „lange Zeit als Geheimtipp“ galt, mittlerweile „schwören aber hunderttausende Betroffene auf seine Wirkkraft“, und nun soll er nicht nur „echten Kultstatus“ erlangt, sondern sich zum „meist verkauften Arzneimittel bei sexueller Schwäche entwickelt“ haben.3 – Irgendwie lustig, diese Lustkraft aus dem homöopathischen Verdünnungs-Nichts.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2014 / S.18