Zum Inhalt springen
©Anatoly Tiplyashin - Fotolia.com

Leben Fußball-Zuschauer gefährlich?

Angesichts der heißen Stimmung auf den Fanmeilen in Berlin und anderen Städten sowie in vielen Kneipen und Haushalten, wo Menschen vor dem Fernseher die Spiele der EM verfolgten, stellt sich die Frage: Kann das Anschauen eines Fußballspiels Herzprobleme hervorrufen?

Die WM 2006 in Deutschland hat es möglich gemacht, dazu eine groß angelegte wissenschaftliche Studie durchzuführen.1 Untersucht werden sollte, ob es bei Spielen der deutschen Nationalmannschaft zu mehr Herzinfarkten oder Herzrhythmusstörungen kommt als in „normalen Zeiten“. Als solche „normalen Zeiten“ wurden die Jahre 2003 und 2005 sowie 4 Wochen vor und 3 Wochen nach der WM 2006 zum Vergleich herangezogen. Insgesamt sind in dieser Studie 4.200 Notarztprotokolle von 24 Notarztstandorten (Kliniken, Boden- und Luftrettung) aus München und Umgebung analysiert worden.

Dabei hat sich herausgestellt, dass sich tatsächlich an den Tagen, an denen die deutsche Mannschaft spielte, die Häufigkeit eines akuten Herz-Kreislaufereignisses um den Faktor 2,7, also auf fast das Dreifache, erhöhte. Zusätzliche Notfälle gab es vor allem dann häufig, wenn das Spiel der deutschen Mannschaft besonders wichtig zur Qualifikation für die nächste Runde war. Die größten Zunahmen zeigten sich jedoch bei den beiden sehr dramatischen Spielen (Viertelfinale Deutschland – Argentinien; Halbfinale Deutschland – Italien), wobei der tatsächliche Ausgang des Spieles weniger bedeutend für ein Stress-vermitteltes Notfall-Ereignis zu sein scheint als die Dramatik des Spieles. Die meisten Zwischenfälle traten in den zwei Stunden nach Spielbeginn auf. Dagegen wurde an Tagen, an denen die deutsche Mannschaft nicht spielte, keine statistisch erhöhte Rate an Herzinfarkten oder Herzrhythmusstörungen beobachtet.

Schon 1998 war in England aufgefallen, dass in den zwei Tagen nach dem Endspiel England – Argentinien 25 % mehr Menschen mit Herz­infarkten stationär aufgenommen werden mussten als zu anderen vergleichbaren Zeiten.2

Welche Schlussfolgerung kann daraus z.B. für die kommende WM und andere spannende Spiele gezogen werden? Wer eine Erkrankung der Herzkranzgefäße hat, ist besonders gefährdet, wenn er Fußball schaut – auch im Stadion! Ist eine Vorerkrankung des Herzens bekannt, sollte die medikamentöse Therapie besonders gut eingestellt sein. Gerade an solchen Tagen ist es wichtig, die Herzmedikamente nach Vorschrift einzunehmen. Kommt es zu Symptomen wie Brustenge, Atemnot oder un­regelmäßigem Pulsschlag, muss man umgehend ein Notarzt rufen.

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2008 / S.10