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Den Zoster zähmen?

Impfstoff gegen Gürtelrose

Nach einer Windpocken-Erkrankung können Viren, die diese Infektionserkrankung auslösen, jahrzehntelang in bestimmten Nerven überdauern. Normalerweise hält unser Immunsystem die verborgenen Viren in Schach. Wird das körpereigene Abwehrsystem jedoch geschwächt, können sie wieder aktiv werden. Es entwickelt sich dann eine Gürtelrose.

Eine Gürtelrose geht mit brennenden Schmerzen, Rötung und Herpesbläschen einher, die nach und nach entlang des Versorgungsgebietes eines Nervs entstehen. Die Bläschen verkrusten und sind nach zwei bis drei Wochen verschwunden. Bisweilen halten aber brennende Schmerzen noch Wochen oder Monate lang an.

Bislang war es nicht möglich, einer Gürtelrose und ihren Folgen vorzubeugen. Seit Ende 2009 gibt es Zostavax®, einen Impfstoff gegen Gürtelrose. Dieser darf in Deutschland ab einem Alter von 50 Jahren verwendet werden. Man darf sich aber nur impfen lassen, wenn man keine angeborene oder erworbene Immunschwäche hat und keine Arzneimittel einnimmt, die das Immunsystem schwächen. Der Impfstoff gegen Gürtelrose enthält die gleichen abgeschwächten Lebendviren wie der seit 25 Jahren erhältliche Impfstoff gegen Windpocken (z.B. Varivax®) – allerdings in deutlich höherer Dosierung.

Wie wirksam ist die Impfung?

Zostavax® wurde in den USA in einer großen Studie mit mehr als 38.000 mindestens 60 Jahre alten, weitgehend gesunden Personen getestet.1 Im Verlauf der Beobachtungsdauer von durchschnittlich etwas mehr als drei Jahren bildete sich seltener eine Gürtelrose: 16 von 1.000 Personen, die den Impfstoff erhielten, erkrankten daran. Von denen, die eine Scheinimpfung erhielten, waren es 33 von 1.000. Es fällt auf, dass in der Studie insgesamt nur wenige Menschen nach Verschwinden der Herpesbläschen an Schmerzen, der so genannten postherpetischen Neuralgie litten, einer sehr unangenehmen Komplikation der Gürtelrose. Statt 3 Personen von 700 waren es nach der Impfung nur 1 von 700.

Wie lange der Impfschutz anhält, ist nicht bekannt: Jedenfalls ließ dieser im Verlauf der Studie nach. Zudem wurde beobachtet, dass der Impfstoff im höheren Alter schlechter wirkt.

Frühe Impfung problematisch?

Für Männer und Frauen zwischen 50 und 59 Jahren fehlen Wirksamkeitsdaten. In dieser Altersgruppe ist das Risiko für eine Gürtelrose zwar erhöht. Bei der Zulassung in den USA wurde jedoch die Befürchtung geäußert, dass die Impfung in diesem Alter wegen der unsicheren Dauer des Impfschutzes die Erkrankung an Gürtelrose auf das spätere Lebensalter verschieben könnte. Das ist problematisch, da die Wahrscheinlichkeit der unangenehmen Schmerzen nach überstandener Gürtelrose mit den Jahren größer wird. Anders als bei uns wurde der Impfstoff in den USA wegen dieser Bedenken – und wegen der unzureichenden Erprobung bei 50-60-Jährigen – nur für Personen ab 60 Jahren zugelassen.

Wie verträglich ist der Impfstoff?

Die Impfung verursacht sehr häufig unerwünschte Wirkungen an der Injektionsstelle: Rötung, Schwellung und Schmerzen (bei jedem Vierten bis Dritten). Fieber, Kopfschmerzen, Durchfall und Hautausschlag sind beschrieben. Beunruhigend sind auffällige schwerwiegende unerwünschte Herz-Kreislauf-Nebenwirkungen, die in der Erprobung des Impfstoffes bei 6 von 1.000 Personen (unter Placebo bei 4 von 1.000) auftraten. Solche schwerwiegenden Impffolgen werden derzeit in einer großen Sicherheitsstudie in den USA überprüft. Die Untersuchung ist zwar abgeschlossen, jedoch noch nicht veröffentlicht.

Lohnen die Kosten?

Eine Impfdosis Zostavax® kostet 148,65 Euro. Die Daten der großen Zulassungsstudie besagen, dass etwa 350 Menschen geimpft werden müssen – das kostet etwa 50.000 Euro –, um eine postherpetische Neuralgie im Zeitraum von drei Jahren zu verhindern. Sollte die beobachtete Zunahme schwerwiegender unerwünschter Komplikationen ursächlich auf den Impfstoff zurückgehen, bedeutet dies, dass mehr Menschen durch die Impfung geschädigt, als an Gürtelrose Erkrankte vor einer postherpetischen Neuralgie geschützt würden. Erst wenn die Ergebnisse der bereits abgeschlossenen Sicherheitsstudie vorliegen, lässt sich also abschätzen, ob die Impfung mehr nützt als schadet.2

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2010 / S.06