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Freiheit von der Pille

Seit über 50 Jahren ist die Antibabypille auf dem Markt, und sehr viele Frauen in Deutschland nehmen jahrelang so ein Hormonpräparat ein, das Schwangerschaften verhindern soll. Immer mehr – und gerade auch gut informierte – junge Frauen haben dabei ein ungutes Gefühl. Manche lehnen die Pille mittlerweile strikt ab. Ihre Gründe sind vielfältig. In „Freiheit von der Pille“ beschreibt die Autorin, wie es dazu kam, dass sie nicht mehr hormonell verhütet. Und sie berichtet, wie gut es ihr damit geht.

Anfang Dreißig ist Sabine Kray, Journalistin, Übersetzerin und Autorin dieses Buches, als sie die Pille eher zufällig absetzt – nachdem sie ein halbes Leben Antibabypillen geschluckt hat.1 Doch mit den Folgen hatte sie nicht gerechnet: Plötzlich spürt sie all die Hochs und Tiefs, die normale Hormonschwankungen mit sich bringen können. Nachvollziehbar beschreibt sie deren Auswirkungen zwischen zwei Regelblutungen beziehungsweise von Eisprung zu Eisprung, berichtet davon, wie sie über ihre Stimmungswechsel staunt und sich darauf einlässt.

Natürlich ist das manchmal eine Herausforderung, weiß Sabine Kray. Aber sie selbst erlebt diesen weiblichen Rhythmus, den ihr Leben von nun an hat und der durchaus mal aus dem Takt gerät, als positiv. Vor allem bemerkt sie ein Anwachsen der Libido, ihres sexuellen Begehrens.

In einem anderen Abschnitt erläutert die Autorin ausführlich, dass viele junge Mädchen mit 14 oder 15 Jahren unter völlig falschen Voraussetzungen anfangen, die Antibabypille einzunehmen. Die pharmazeutische Industrie wirbt seit Jahren damit, dass neuere Präparate nicht nur Schwangerschaften verhüten, son­dern Haut und Haar gut tun (GPSP 6/2009, S. 3). Doch da ist nur wenig dran, und das auch höchstens für eine kurze Phase in der Pubertät.

Fragt man Frauen – wie Sabine Kray dies tat –, warum sie die Pille nehmen, so argumentieren viele, dass das ihre Periode stabilisiere. Das entlarvt die Buchautorin sehr anschaulich als Unsinn. Denn die Hormone in Antibabypillen können keinen Rhythmus stabilisieren. Sie hebeln ihn üblicherweise aus. Zurück bleibt bei den meisten Präparaten ein Zustand, der hormonell der Phase nach dem Eisprung entspricht – und geglättet ist, statt wie die Jahreszeiten abwechslungsreich. Der einzige Wechsel ist ein künstlicher: Ohne die Hormonzufuhr via Pille kommt es zu einer Blutung, die allerdings keine Regelblutung, sondern eine Abbruchblutung ist. Denn Pillenhersteller bestücken die Tabletten einer Monatspackung meist für rund drei Wochen mit Hormonen, doch in der vierten Woche sind die Pillen hormonfrei.

Dass Gynäkologinnen und andere Ärzte es sich häufig zu leicht machen, kritisiert die Autorin ebenfalls. Kommen Mädchen nach der ersten Regelblutung in die ärztliche Praxis, werde ohne viel Aufklärung über verschiedene Verhütungsmethoden und über die Wirkungen der Antibabypille zur hormonellen Verhütung geraten. Und dann noch zu den riskanteren Präparaten. Denn Antibabypillen – gerade auch die neueren Mittel – wirken nicht nur auf das Gemüt, sondern steigern bekanntlich das Risiko von Thrombosen und Embolien (GPSP 4/2015, S. 22).

Sabine Kray beschäftigt sich mit vielen Aspekten der hormonellen Verhütung und betont auch deren Wichtigkeit – zumal bei der sexuellen Befreiung in den 1960er Jahren. Sie spricht außerdem diverse Verhütungsmethoden an, fragt nach der Rolle von Männern und denkt über die Geschichte der Verhütung nach – bis hin zu „Fruchtbarkeits-Apps“ und zum „modernen“ karrierebedingten Einfrieren von Eizellen. Besonders wichtig ist der Autorin auch das: Was bedeutet es, wenn der normale weibliche Testosteronspiegel durch hormonelle Kontrazeptiva abgesenkt wird?

All das ist auf gut 100 Seiten locker und sachkundig geschrieben. Doch soll dieses Buch kein Sachbuch sein, obwohl es gut recherchiert ist, viele Quellen liefert und im Anhang unabhängige Informationsquellen und Beratungsstellen enthält. Sabine Kray weiß, dass ihr Buch einseitig ist und nennt es eine persönliche Unabhängigkeitserklärung. Sie versichert, dass sie „einem breiten Publikum weniger gute Gründe für den kompromisslosen Verzicht, als gute Gründe für das Nachdenken über die Pille liefern möchte“. Denn, so lautet eine Kapitelüberschrift: Wissen ist Macht.

  1. Auslöser für dieses Buch war ein Beitrag von Sabine Kray, zu dem es über 600 Kommentare gab: www.zeit.de/kultur/2017-04/hormonelle-verhuetung-antibabypille-mann-nebenwirkungen-10nach8

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2018 / S.17