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Bittere Wahrheiten

Was zählt bei der Beurteilung von Arzneimitteln?

Viele Leser und Leserinnen, die bei GPSP anfragen, ob ein Medikament etwas taugt, fügen Informationen aus unterschiedlichsten Quellen an. Welche Anforderungen müssen sie erfüllen, damit sie für die Bewertung durch GPSP relevant sind?

Ein Leser hatte bei DocCheck, einem Internetanbieter medizinischer Informationen, eine aktuelle Pressemitteilung über einen Versuch mit Bittergurke an Mäusen gefunden. Deshalb bezweifelte er, dass unsere Aussage zu Bittergurke: „Kein guter Rat für Diabetiker“ (GPSP 5/2008) „noch gültig ist“. Wir bleiben dabei, unsere Bewertung gilt unverändert. Warum das so ist, sollen einige grundsätzliche Überlegungen verdeutlichen.

Den Nutzen und die Risiken von Arzneimitteln oder Nahrungsergänzungsmitteln bewerten wir nicht auf der Basis von Pressemitteilungen oder sonstigen Verlautbarungen von Firmen, Universitäten oder anderen Institutionen, sondern auf der Basis von aussagekräftigen klinischen Studien (siehe Kasten). Dies ist der Garant für Seriosität der Bewertungen, die in GPSP veröffentlicht werden.

Hinweise aus Mäuseversuchen mögen zwar interessante Grundlagenkenntnisse bringen, sind jedoch ohne direkte Aussagekraft für den Menschen. Zudem ist ein günstiger Blutzuckerwert – als Folge der Behandlung des Diabetes mellitus – nur ein Ersatzkriterium. Der Blutzuckerspiegel lässt sich zwar leicht bestimmen, erlaubt jedoch keinen Rückschluss auf den tatsächlichen Nutzen eines Medikamentes oder eines Nahrungsergänzungsmittels. Was zählt ist, ob ein Mittel die Spätfolgen des Diabetes wie Augen- und Nierenschädigung verhindern oder verzögern kann. In der Medizin nennt man das „patientenrelevante“ Kriterien. Ein solcher relevanter Einfluss ist für einige Arzneimittel gegen Diabetes (nicht für alle!) durch Langzeitstudien belegt, aber für kein so genanntes Nahrungsergänzungsmittel. Auch nicht für die Bittergurke.

Es gibt bei Arzneimitteln genügend erschreckende Beispiele dafür, dass Ersatzkriterien, die zunächst plausibel erschienen, falsche Therapieentscheidungen begünstigt haben – zum Schaden der Patienten. Beispielsweise senkt der Blutfettsenker Clofibrat nachweislich den Blutfettspiegel. Dennoch sind in Vergleichs­studien deutlich mehr Menschen gestorben, die dieses Medikament schluckten als Menschen, die das Plazebo einnahmen. Flecainid, ein Medikament gegen Herz­rhythmus­störungen, verringert zwar die Häufigkeit von Rhythmus­störungen. Dennoch sind in einer Studie nachweislich mehr Menschen mit dem Medikament gestorben als ohne das Medikament.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2010 / S.13